Screenforce Studie Schweiz 2025

TV & YouTube: Freund und/oder Feind?

Die Szene: eine Bar oder ein Club, die Party ist im Gange. Da die Überdrehten auf der Tanzfläche, dort die Selbstverliebten mit dem Smartphone in der Hand. Und dann noch zwei, die sich vom Rest etwas abheben. Was wie ein ganz normaler Abend im Nachtleben wirkt, ist der Einstieg in die neueste Studie von Screenforce Schweiz.

Die Charaktere aus dem Film basieren auf Aussagen aus qualitativen Experteninterviews, erhoben mittels einer projektiven Technik.

Wie Titel und Film andeuten, dreht sich die Screenforce-Studie Schweiz 2025 um TV und YouTube. Was sind die Stärken und Schwächen von YouTube im Vergleich zu TV – und kann TV sogar noch etwas lernen? Im Auftrag von Screenforce führte und analysierte das Insight Institute jeweils 45-minütige Experteninterviews mit 26 Medienprofis aus dem Schweizer Werbemarkt: 8 TV- und 13 YouTube-/Social-Media-Expert*innen und 5 Werbeauftraggebende.

Differenzen zwischen TV und YouTube – ähnlich, aber doch nicht gleich

TV und YouTube sind sich deutlich ähnlicher als andere Bewegtbildkanäle – so empfindet das auf jeden Fall die befragte Expertenrunde. Es wurden aber auch Differenzen genannt:

  • Targeting → Breite Publikumsansprache bei TV vs. gezielte Ansprache einzelner Personen bei YouTube. Allerdings besteht Unsicherheit darüber, wie gut das Targeting bei YouTube tatsächlich funktioniert.
  • Flexibilität → Längere Planung bei TV-Werbung vs. kurze Planung und schnelle Reaktionsmöglichkeit bei YouTube.
  • Messung → Nachvollziehbare und unabhängige Messung bei TV vs. detaillierte Kennzahlen und Analysetools bei YouTube, allerdings mit fehlender Transparenz und ohne unabhängige Instanz zur Verifizierung der Daten.
  • Reichweite → Überraschenderweise erreichen laut den Medienprofis sowohl TV als auch YouTube eine grosse Reichweite. YouTube eher bei den unter 30-Jährigen, TV bei den über 40-Jährigen.

Screenforce wollte das genau wissen und zog den IGEM DigiMonitor 2024 und den Mediapulse Streaming Data Q4 2024 Report zu Hilfe:

Schnell wird klar: Die Befragten sprechen vom weitesten Nutzerkreis – hier erreicht YouTube 78%, TV liegt bei 94%. Beim täglichen Nutzerkreis ändert sich das jedoch – YouTube liegt da bei 28%, TV bei 56%. Und bei der täglichen Reichweite auf dem Big Screen – entscheidend für die Werbewirkung, dazu später – kommt YouTube gerade einmal auf 4%, TV hingegen auf 56%.

Bei den Themen „Preis“ sowie „Qualität und Werbewirkung“ zeigten sich hingegen wieder klare Unterschiede.

Herausforderung Preisvergleich

Beim Preis sehen die Medienprofis YouTube im Vorteil. Die Gespräche zeigten aber, dass sich dieses Bauchgefühl nur schwer belegen lässt und dass konkrete Preise nur schwer genannt werden konnten, da der Preis stark von Faktoren wie Ziel, Zielgruppe, Format oder Platzierung abhängt. Immer wieder wurde hingegen die Bedeutung der Kontaktqualität betont. Zwischen TV und YouTube wurde klar unterschieden – insbesondere in Bezug auf die Wertigkeit und Qualität von Kontakten:

„Ich kann ein GRP von TV nicht mit YouTube vergleichen, da die Kontaktqualität eine andere ist.“

„Der Kontakt mit der Familie um 20 Uhr vor dem Big Screen ist viel mehr wert als der Kontakt im Zug womöglich ohne Kopfhörer.“

„Es ist schwierig, die Preise von YT und TV zu vergleichen. Es ist wie, Äpfel mit Birnen zu vergleichen!“

Deshalb zog Screenforce Kriterien hinzu, die beim Preis- und Kontaktvergleich zu berücksichtigen sind – damit Gleiches mit Gleichem verglichen wird.

  • Tausenderkontaktpreis (TKP) → Der Vergleich sollte auf gleicher Basis erfolgen: Netto mit Netto – nicht Brutto (TV) mit Netto (YouTube).
  • Zielgruppe → Beide Medien sollten auf derselben Zielgruppe basieren – etwa 3+ –, anstatt die TV-Zielgruppe 15–59j mit der Gesamtbevölkerung bei YouTube zu vergleichen.
  • Screengrösse → Für die Kontaktqualität ist gemäss Medienprofis relevant, ob ein Kontakt am Big Screen oder am Small Screen geschieht.

Auch bei Kriterien wie Spotlänge, Targetingeinstellungen, Vollständigkeit und Skipparkeit von Spots sollte einheitlich verglichen werden.

  • Kontaktwiederholung (OTS) → YouTube benötigt für eine vergleichbare Werbewirkung mehr Kontaktwiederholungen als TV.
  • Daten → Die unabhängig gemessenen Personen-/Kontaktdaten von TV werden mit den eigendeklarierten Maschinendaten von YouTube verglichen.
  • Glaubwürdigkeitsfaktor → Beim Vergleich sollte der Kontaktpreis mit einem Glaubwürdigkeitsfaktor gewichtet werden, denn laut den Expertinnen und Experten ist ein TV-Kontakt für Marken wertvoller als ein Kontakt auf YouTube.

Diese Kriterien zeigen, wie komplex ein Preisvergleich ist – und relativieren den zunächst angenommenen Preisunterschied deutlich.

Qualität und Werbewirkung – Spielen TV und YouTube in der gleichen Liga?

Beim Preis sahen die Befragten – ohne die Berücksichtigung der zuvor genannten Kriterien – YouTube im Vorteil. Das ändert sich beim Thema “Qualität und Werbewirkung”. Hier erkennt die Expertenrunde deutliche Vorteile bei TV. Diskutiert wurde die Qualität der Inhalte, die Wahrnehmung der Werbung und die Werbewirkung.

Die Mehrheit der Medienprofis (15 von 26) war der Meinung, dass TV-Inhalte von höherer Qualität sind als Inhalte auf YouTube. Sie begründeten dies unter anderem mit der redaktionellen Verantwortung und den stärkeren gesetzlichen Reglementierungen bei TV. Noch stärker war die Meinung in Bezug auf die Werbewahrnehmung. Hier sagten fast alle Befragten (24), dass TV das sicherere, vertrauensvollere und glaubwürdigere Umfeld als YouTube bietet, was sich auf die Werbung überträgt.

Was die Werbewirkung betrifft, hier hatten alle Befragten eine klare Meinung zu den Kanaleigenschaften von TV und YouTube:

TV
Die Leute konsumieren TV-Inhalte häufig in entspannter Atmosphäre, was weniger ablenkt und die Aufmerksamkeit sowie die Chance, dass Werbeinhalte in einer positiven Stimmung bewusster wahrgenommen werden, erhöht.
Gemäss den Medienprofis wird TV öfter am Big Screen und mit guter Bild- und Tonqualität konsumiert. Das wiederum ermöglicht eine multisensorische Ansprache und ein emotionales Storytelling.
Zusätzlich hat ein Teil der Befragten die soziale Komponente von TV im Zusammenhang mit einer positiven Werbewirkung erwähnt: TV erreicht viele Menschen gleichzeitig mit demselben Inhalt, was ein Gefühl von kollektiver Erfahrung und sozialem Austausch ermöglicht.
YouTube
Einige Medienprofis waren der Meinung, dass YouTube mit dem beinahe unbegrenzten Spektrum an Inhalten und Umfeldern, kombiniert mit den Targetingmöglichkeiten, einen Vorteil im Zusammenhang mit der Werbewirkung bietet.
Die sehr tiefen Barrieren bei der Inhaltspublikation wiederum führt dazu, dass Werbetreibende viel gezielter steuern müssen, um Werbung in einem sicheren Umfeld zu platzieren – was aus Sicht der meisten Befragten nicht immer erreicht wird. Brandsafety wird somit von einer Mehrheit als Risiko und Nachteil von YouTube genannt.
Zudem erwähnten die Befragten, dass YouTube vorwiegend auf kleinen Geräten, häufig unterwegs und eher in Lean-Forward-Situationen mit einer geringeren Aufmerksamkeitsspanne konsumiert wird, was aus ihrer Sicht eine negative Auswirkung auf die Werbewirkung hat.

Die Expertinnen und Experten sehen also Stärken bei beiden Bewegtbildkanälen. Dank seiner multisensorischen Kraft, Lean-Back-Nutzung, emotionalen Ansprache und sozialen Wirkung wurde TV hinsichtlich der Werbewirkung klar besser bewertet als YouTube.

Dieses Bild zur Qualität und Werbewirkung kommt keineswegs überraschend und deckt sich mit vielen Studienergebnissen, unter anderem mit der Screenforce DACH-Studie 2024 „Into the Wild”. Die Studie zeigte auf, dass die Werbewirkung von TV im gesamten Sales Funnel besser ist als YouTube.

Die Ergebnisse der Expertenrunde verdeutlichen einmal mehr: TV spielt in einer anderen Liga, was Qualität, Glaubwürdigkeit und Werbewirkung angeht. Die Gründe für die Qualitätsunterschiede sind klar:

  • TV-Werbung findet in einem professionellen und hochwertigen Umfeld statt
  • TV-Werbung geniesst eine hohe Glaubwürdigkeit, hohe Aufmerksamkeit und positive Nutzungssituationen (Lean Back)
  • TV-Werbung wird vorwiegend auf dem Big Screen angesehen mit 100% Coverage und mit Ton

„TV ist für mich im Schweizer Werbemarkt immer noch ein Qualitätsprodukt. Du hast wenig Mühe und wenig Probleme mit Ad Fraud oder auch schlechten Umfeldern und weniger Probleme mit Fake News.“

„Qualität, ich glaube das ist unbestritten, die Vertrautheit, wenn man als Kunde im TV-Werbung macht, dann geht man automatisch davon aus, dass diese Marke vertrauensvoll ist.“

„Trotz aller Massnahmen ist Brand Safety bei YouTube immer eine Herausforderung. Man weiss nie ganz genau, in welchen Umfeldern man drin ist.“

„Die 30 Sekunden Werbung im YouTube nerven gefühlt mehr als die 10 Minuten Werbung im TV.“

Fazit

Um auf den Studientitel zurückzukommen: YouTube ist weder Freund noch Feind. Die Videoplattform hat sich in den vergangenen 20 Jahren als Bewegtbildkanal etabliert. Und was die Flexibilität bei Buchungen, das Targeting oder die Analysetools betrifft, kann TV gar noch von YouTube lernen. Doch auch TV hat sich weiterentwickelt. Inzwischen können TV-Inhalte auf verschiedenen Geräten linear oder im Stream, live und zeitversetzt konsumiert werden und es sind neue Werbeformen wie die Replay Ads dazugekommen. Zudem sprechen die herausragende Qualität der Inhalte, die Nutzungssituation und die Nähe zu Mediaagenturen und Werbekundschaft klar für TV – auch YouTube kann also noch vieles von TV lernen. Freund und/oder Feind? Ein Experte fasste die Antworten der gesamten Runde passend zusammen:

„TV ist wie ein Zürcher Geschnetzeltes, YouTube ist Fast Food. Beides schmeckt.“

Publiziert: 29. Mai 2025

Kategorien: Grundlagenstudien, News